Jochen Ott / Dilek Engin: „Wir müssen jetzt den Bildungskatastrophen-Schutz schaffen“

Am morgigen Dienstag (24.01.2023) ist Internationaler Tag der Bildung. Hierzu erklären Jochen Ott, stellvertretender Vorsitzender, und Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW:

Jochen Ott:

„NRW steckt mitten in einer Bildungskatastrophe. Die Herausforderungen sind vielfältig: Derzeit sind etwa 8.000 Lehrer*innenstellen an den Schulen in NRW unbesetzt. Bis 2030 wird es aber einen Zuwachs von etwa 320.000 Schüler*innen geben. Wir wissen heute schon, dass alleine im Grundschulbereich bis 2025 etwa 26.300 Lehramtsabsolvent*innen fehlen werden.

Die Folgen der Bildungskatastrophe sind spürbar: Etwa 20 Prozent der Schüler*innen erreichen laut IQB-Bildungstrend 2021 nicht die Mindestanforderungen der Kultusminister*innenkonferenz für Lesen, in Mathematik scheitern sogar knapp 30 Prozent. Auch die Ergebnisse der COPSY-Studie sind eindeutig: Zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren fühlen sich durch die Corona-Pandemie belastet. Außerdem berichteten etwa 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen von einer geminderten gesundheitsbezogenen Lebensqualität während der Corona-Pandemie. Auch der DAK-Jugendreport bestätigt diesen Negativ-Trend. 2022 sind 42 Prozent mehr Jugendliche mit emotionaler Störung im Krankenhaus aufgenommen worden als im Vorjahr. Die Zahl der stationär behandelten depressiven Episoden stieg im gleichen Zeitraum um 28 Prozent.

Im Vergleich mit anderen Bundesländern investiert NRW unterdurchschnittlich in die Schüler*innen: Mit etwa 6.300 Euro pro Kopf lagen die Mittel zuletzt in NRW für die Grundschüler*innen noch immer über 1.000 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. Der Investitionsstau an den Schulen in NRW wird auf 10 Milliarden Euro geschätzt. Klar ist aber auch: Der Fachkräftemangel zeigt sich jetzt schon in den unterschiedlichsten Branchen. Ohne gute Bildung werden wir die Lücke nicht schließen können.“

Dilek Engin:

„Das alles zeigt: Wir müssen jetzt den Bildungskatastrophen-Schutz schaffen. Schule darf nicht länger nur verwaltet werden. Die Herausforderungen sind zu groß, um bloß von der Seitenlinie aus zu dirigieren.

Schule muss mehr sein als Betreuung und Bildung. Deshalb fordern wir, dass bis 2027 in allen Grundschulen in NRW Familienzentren etabliert werden. In offenen Sprechstunden gibt es hier in der Schule gebündelt Erziehungs- und Familienberatung unter einem Dach. Das ist ein wesentlicher Baustein für frühe Hilfen und Präventionsketten vor Ort.

Das Land muss eine Personaloffensive für die Schulen in NRW starten. Dazu gehört auch der Ausbau und die Schaffung neuer Studienplätze. Hier müssen die Hochschulen für angewandte Wissenschaften eingebunden werden, um im naturwissenschaftlich-technischen Bereich die dringend benötigten Lehrkräfte ins System zu bringen. Ministerin Feller muss mutig sein und verkrustete Strukturen aufbrechen, um den Lehramtsberuf attraktiver zu gestalten. A13 für alle muss auch wirklich für alle gelten. Werkstattlehrer*innen, Fachlehrer*innen und Fachleiter*innen müssen Perspektiven geboten werden. Schulleitungen brauchen endlich die Freiheit, Lehrpläne und Stundentafeln entsprechend der jeweiligen Situation an der individuellen Schule herunterfahren zu dürfen. Das führt dann auch zu einer echten Entlastung der Lehrkräfte vor Ort, damit sie mehr Zeit für die Betreuung der Kinder und Jugendlichen haben.

Ungleiches muss ungleich behandelt werden. Deshalb fordern wir eine auskömmliche Finanzierung des Sozialindexes. Das Geld muss da ankommen, wo es am dringendsten benötigt wird. Die 1.000 Schulen in besonders herausfordernden Lagen müssen mit Unterstützung des Bundes mit zusätzlichen personellen und sachlichen Mitteln ausgestattet werden.“

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2023-01-23