Mini-Löhne, miese Bedingungen und Ausbeutung – SPD-Fraktion will gegen prekäre Beschäftigung vorgehen

Kredite für die Miete, 16-Stunden-Tage oder saisonales Hire and Fire – prekäre Beschäftigung hat viele Ausprägungen und Folgen. „Ein fundamentales Thema“, sagt Christina Weng, Sprecherin für Petitionen der SPD-Fraktion im Landtag NRW. Sie hat selbst prekäre Beschäftigung erlebt – bei ihrer Arbeit als Krankenschwester. Die Pflege gehört zu den Berufsfeldern, bei denen harte Arbeit für zu wenig Lohn an der Tagesordnung sind. „Gibt es Wege aus dieser schwierigen Situation?“ – diese Frage wirft Christina Weng auf. Denn genau solche Wege möchte die SPD-Fraktion im Landtag NRW aufzeigen. Das ist in Nordrhein-Westfalen auch dringend geboten. 21 Prozent der abhängig Beschäftigten in NRW haben im April 2022 im Niedriglohnsektor gearbeitet, das sind rund 1,8 Millionen Jobs. Das zeigen Zahlen des Statistischen Landesamtes. Um gemeinsam Wege zu entwickeln, hat die SPD-Fraktion im Landtag NRW eingeladen – zum Landtagstalk „Prekäre Beschäftigung und Ausbeutung der Arbeitskraft.“

Mit dieser Dialogplattform hat das #TeamRespekt der SPD-Fraktion im Landtag NRW Betroffene und Fachleute zusammengebracht. „In Zeiten des Fachkräftemangels könnte man davon ausgehen, dass solche Formen der Beschäftigung gar nicht mehr möglich sind. Deshalb fragen wir: Wer sind die Menschen hinter diesen Arbeitsverhältnissen? Wer gibt Ihnen eine Stimme?“, sagt Lisa-Kristin Kapteinat, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag NRW und zuständig für den Themenbereich Respekt, der sozial- und arbeitsmarktpolitische Fragen umfasst.

Einer, der eine Stimme gibt, ist Fabian Schmitz. Für den Lieferdienst Lieferando fährt er Essen aus – quer durch die Stadt mit Pizza, Nudeln oder Döner im großen orangenen Korb auf dem Rücken. Manche seiner Kolleginnen und Kollegen würden den Job aus Überzeugung machen, andere würden schlicht nichts anderes finden. Die Sprachbarriere verhindert etwa den Einstieg in andere Jobs. Die Bedingungen in der Lieferbranche sind hart. Umso wichtiger ist es, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken. „Wir haben es geschafft einige Betriebsräte zu gründen“, sagt Schmitz: „Natürlich sind wir Einzelkämpfer. Aber wenn wir uns sehen, haben wir ein Teamgefühl.“ Für Schmitz ist das ein unschätzbarer Wert. Vom Arbeitgeber wünscht er sich „Anerkennung und Respekt.“ Dazu gehört für ihn ein Stundenlohn von 15 Euro.

Andere Branche, aber ebenso viele Sorgen und Wünsche nach Verbesserung – so klingt es, wenn Petra Lückel berichtet: Sie ist Stationsleitung in einem Evangelischen Krankenhaus. Ein Nachtdienst mit 30 Patient:innen – das ist für sie und ihre Kolleg:innen keine Seltenheit. In der Praxis ist das kaum zu machen: Ein Patient erbricht, eine Patientin hat starke Schmerzen – zu viel für eine Person. Warum tut man sich das an? „Das ist für viele Berufung, sie machen den Beruf aus Überzeugung“, sagt Lückel. Ein Hindernis auf dem Weg zu Verbesserungen sei etwa der geringe Grad an gewerkschaftlicher Organisation in der Pflege.

Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ihre Rechte eintreten, ist Johannes Eschweiler einer, der hilft. Er ist Betriebsseelsorger und unterstützt bei der Einrichtung von Betriebsräten. „Es fehlt an betrieblicher Mitbestimmung“, beklagt er und ergänzt: „Wir haben gesetzliche Reglungen, die unterlaufen werden.“ Daher fordert er eine bessere personelle Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, um etwa bei Lkw-Fahrern oder Erntehelfern einzugreifen. Kanzler Olaf Scholz hat bereits 2019, damals noch als Finanzminister, die Befugnisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ausgeweitet, um Straftatbestände des Menschenhandels im Kontext von Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft wirksamer bekämpfen zu können.

Der Bildungsreferent bei „Arbeit und Leben NRW“, Pagonis Pagonakis , hat sich Branchen mit prekärer Beschäftigung genau angeschaut – und ist mit den Menschen ins Gespräch gekommen. „Man muss jede Branche getrennt betrachten“, sagt er: „Saisonarbeiter in der Landwirtschaft seien dabei die marginalisiertesten.“ Mit ihnen in Kontakt zu kommen, sei schwierig. Die Menschen seien isoliert auf den Höfen – und ihre Leidensfähigkeit sei groß. „Viele akzeptieren acht Euro Stundenlohn und unbezahlte Mehrarbeit“, sagt Pagonakis .

Lena Teschlade, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, stimmt Pagonakis Einschätzung zu: „Unsere Debatte zeigt, dass wir uns alle Bereiche individuell anschauen und individuelle Lösungen finden müssen.“ Ihr Versprechen: „Wir bleiben als SPD-Landtagsfraktion am Thema dran.“ Die Forderungen dabei sind klar: Die Bundesländer Bremen, Saarland und Thüringen wollen etwa Subunternehmer in der Paketbranche verbieten, um auch dort die Bedingungen zu verbessern. „NRW muss dieses Vorgehen unterstützen“, sagt Lena Teschlade. Und: „Wir setzen uns deshalb für verstärkte Kontrollen durch den Arbeitsschutz, eine bessere finanzielle Ausstattung des Arbeitsschutzes und die Ausweitung der Tarifbindung ein.“

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2023-04-27